Boppardinho – Ballschule

Die Fußballschule Boppardinho bietet in Kindergärten und Grundschulen die Boppardinho – Ballschule an.

 

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Ballschule Heidelberg – theoretische Kurzübersicht
1. Einleitung
Die Ballschule des Sportinstituts der Universität H
eidelberg wurde 1998 von Prof. Dr. Klaus
Roth gegründet und ist das wahrscheinlich erfolgrei
chste Kindersport-Förderprojekt in
Deutschland. Über 6.000 Kinder zwischen 3 und 8 Jah
ren spielen und üben mittlerweile in
Gruppen der Ballschule Heidelberg, sowohl in Sportv
ereinen als auch in Kindergärten und
Grundschulen. Sie erhalten eine wissenschaftlich fu
ndierte, spielübergreifende
Grundausbildung. Es werden taktische, technische un
d koordinative Basiskompetenzen des
Spielens vermittelt, wodurch die Basis für das „ABC
des Spielenlernens“ geschaffen werden
soll. Zudem erfahren die Kinder eine soziale Einbin
dung in Gruppen bzw. Teams. Die
Ballschule ist ein Angebot für alle Kinder, von mot
orisch Schwachen (übergewichtige,
hyperaktive, körperbehinderte Kinder) bis hin zu de
n Talenten. In einem aktuellen
Talentförderprojekt kooperieren bereits die TSG Hof
fenheim (Fußball), der USC Heidelberg
(Basketball), die Jungadler Mannheim (Eishockey) un
d die Rhein Neckar Löwen (Handball)
mit der Ballschule Heidelberg, um den Kindern einen
optimalen Einstieg in eine
Sportspielkarriere zu bieten. Das Konzept beruht zw
ar auf einer wissenschaftlichen Basis,
was in den Stunden jedoch unwichtig ist, da die Kin
der den Spaß an der Bewegung und die
Freude im Umgang mit verschiedenen Bällen erleben.
Abb. 1: Modell des spielerisch-impliziten Lernens
In der Ballschule können Kinder also das „ABC“ des
Spielens erlernen. Sie sollen nicht
frühzeitig in einem Sportspiel spezialisiert werden
, sondern in ihrer geistigen, emotionalen
und motorischen Entwicklung ganzheitlich – zum Allr
ounder – ausgebildet werden. Es steht
dabei das vielseitige Erleben und Wahrnehmen von Sp
ortspielsituationen, die Vermittlung
spielübergreifender Fähigkeiten und Fertigkeiten mi
t dem Ball und die oben erwähnte soziale
Einbindung in Sportspielgruppen im Vordergrund. Der
Lehrplan der Ballschule beruht auf
neuesten sportwissenschaftlichen und psychologische
n Erkenntnissen und den Kindern wird
eine professionelle und entwicklungsgerechte Anfäng
erausbildung gewährleistet. Nicht nur
Talente werden entdeckt und optimal gefördert, sond
ern jedes Kind kann von der
sportspielübergreifenden Schulung profitieren.
Die Ballschule Heidelberg findet nicht nur national
enormen Anklang mit weiteren
Stützpunkten in Berlin, München, Rhein Ruhr, Halle
und der Ballschule Nord, sondern
entwickelt sich immer mehr zum Exportschlager mit P
rojekten in Brasilien, Nigeria, Japan,
China, Chile, Venezuela, Österreich und Schweiz.
Kindergarten
2
Die Ballschule ist durch und durch ein Non-Profit-A
ngebot. Die Elternbeiträge orientieren sich
an normalen Vereinsbeiträgen. Eine entsprechende fi
nanzielle Unterstützung von namhaften
Sponsoren wie Dietmar Hopp/SAP, Manfred Lautenschlä
ger/MLP, Capri Sonne und BASF
macht dieses einmalige Projekt erst möglich.
2. Inhalte
Das ABC für Spielanfänger stützt sich auf drei inha
ltliche Grundpfeiler: den
spielerisch-
situationsorientierten
(A), den
fähigkeitsorientierten
(B) und den
fertigkeitsorientierten
Zugang (C).
Abb. 2: Die 3 Säulen der Ballschule Heidelberg
Diese Bereiche sind keineswegs alternativ oder gar
kontrovers zu diskutieren. Zwar ist die
spielerische Ballschule das klar dominierende Eleme
nt; zum Gesamtkonzept gehören
durchaus aber auch intentional gestaltete Übungen z
ur Verbesserung der Ballkoordination
und zur Schulung von elementaren Technikbausteinen:
Die Kinder sollen wieder Spielen lernen sowie überg
reifende Ballfähigkeiten und
Ballfertigkeiten herausbilden, bevor sie beginnen,
sich zu spezialisieren.
Ein umfangreicher
Ballschul-Lehrplan ist von Kröger und Roth (1999) v
orgelegt worden. Er enthält detaillierte
Darstellungen von Spiel- und Übungsformen zu den Be
reichen A, B und C. Aus dem
Blickwinkel der taktischen Kreativitätsentwicklung
ist vor allem die spielerische Ballschule (A)
von hervorgehobenem Interesse.
2.1
Die spielerisch-situationsorientierte Ballsch
ule
Das situationsorientierte Spielen im Rahmen der Bal
lschule zielt direkt auf eine Reduzierung
jener Defizite, die durch den Wegfall der Straßensp
ielkultur entstanden sind. Wie früher in
der Freizeit stehen die Vielfalt, das Experimentier
en und das Ausprobieren im Vordergrund.
Dementsprechend werden zahlreiche, jeweils
eigenständige Spielformen
angeboten und
durchgeführt, die – anders als bei den verbreiteten
Spielreihenkonzepten – auch innerhalb
einer Unterrichts- oder Trainingseinheit nicht notw
endigerweise methodisch aufeinander
aufbauen müssen. Andererseits können die Ballschul-
Spiele natürlich nicht nach dem Prinzip
„anything
goes!“
wahllos
zusammengestellt
werden.
D
ie
inzidentellen
Erfahrungssammlungen sollen ja intensiviert und zei
tlich „verdichtet“ werden. Die Grundidee
ist einfach. Es wird versucht, die Spiele so zu kon
struieren, dass sie – quasi exemplarisch –
typische Anforderungssituationen, also sportspielüb
ergreifende Grundkonstellationen
enthalten. Sie werden im Ballschul-Lehrplan von Krö
ger und Roth als elementare
Taktikbausteine
bezeichnet. Die Realisierung dieser Idee setzt vora
us, dass man derartige
Bausteine systematisch ermittelt und benennt. Das i
st nicht einfach und problemlos
umzusetzen. Daher wird im Rahmen der Ballschule – o
hne dass dies weniger wertvoll wäre
– auf praktische Erfahrungen und das Alltagswissen
von Experten gesetzt. Vorläufig wird auf
Basis von zusammengetragenen Ergebnissen von den im
Folgenden aufgeführten
generellen Taktikbausteinen ausgegangen:
3
Tab. 1: Sportspielübergreifende Taktikbausteine
Ins Ziel treffen:
Taktische Aufgabenstellungen, bei denen es darauf
ankommt, einen Ball in
(auf) ein Ziel zu werfen, zu schießen oder zu schla
gen
Ball zum Ziel bringen:
Taktische Aufgabenstellungen, bei denen es darauf a
nkommt, mit
einem Ball einen Zielbereich zu erreichen
Vorteil herausspielen:
Taktische Aufgabenstellungen, bei denen es darauf a
nkommt, mit
Partnern einen Tor- oder Punktgewinn vorzubereiten
Zusammenspiel:
Taktische Aufgabenstellungen, bei denen es darauf a
nkommt, Bälle von
Partnern anzunehmen bzw. an Partner weiterzuspielen
Lücke erkennen:
Taktische Aufgabenstellungen, bei denen es darauf a
nkommt, in der
Auseinandersetzung mit Gegenspielern (individuell)
die Chancen für einen
Tor- oder Punktgewinn wahrzunehmen
Gegnerbehinderung umgehen:
Taktische Aufgabenstellungen, bei denen es darauf
ankommt, in der Auseinandersetzung mit Gegenspieler
n (individuell) einen
Ballbesitz zu sichern
Anbieten und Orientieren:
Taktische Aufgabenstellungen, bei denen es darauf a
nkommt,
zum richtigen Zeitpunkt eine optimale Position auf
dem Spielfeld
einzunehmen
Die Bausteine sind durchgängig aus „offensiver Sich
t“ formuliert. Spiele, in denen sie
vorkommen, enthalten zumeist – wenn auch nicht zwan
gsläufig – im Umkehrschluss die
jeweils zugehörigen
Defensivbausteine
. In diesem Sinne werden taktische Anforderungen
wie „Ins Ziel treffen verhindern“, „Zusammenspiel s
tören“ oder „Lücke schließen“ mitgeschult.
Selbstverständlich wird mit der Taktikbaustein-List
e – auch nach weiteren Forschungen –
niemals ein Anspruch auf Vollständigkeit verbunden
werden können. Ein solcher Anspruch
dürfte aber ohnehin keine besondere Relevanz besitz
en. Die allgemeine Ballschule erfordert
zwar vielseitige, jedoch keine allumfassenden spiel
erischen Erfahrungssammlungen.
Die Ballschule will den Kindern das vielseitige, fr
eie Spielen wieder näher bringen und die
weitgehend fehlenden Straßenspielerfahrungen kompen
sieren. Vereinfacht ausgedrückt
lernen die Anfänger in der Ballschule vor allem das
taktisch-kreative Agieren in typischen
Spielkonstellationen (Taktikbausteine). Neben dem „
Lesen“ von Situationen ist es aber auch
wichtig, dass die Kinder das sensomotorische „Schre
iben“ von Situationslösungen üben.
Daraus resultiert der Stellenwert einer zusätzliche
n Schulung von allgemeinen
Koordinations- und Technikbausteinen. Über die Bede
utung dieser ersten Schritte ins
Ballspielleben kann kein Zweifel bestehen. Denn, wi
e sagt schon ein altes arabisches
Sprichwort: „Die Zweige geben Kunde von der Wurzel!
2.2
Die fähigkeitsorientierte Ballschule
Beim fähigkeitsorientierten Ansatz (B) wird davon a
usgegangen, dass es allgemeine,
technikübergreifende Leistungsfaktoren gibt, die ei
ne wesentliche Voraussetzung dafür
bilden, motorische Fertigkeiten
schnell und gut zu
erlernen
,
zielgerichtet und präzise zu
kontrollieren
sowie
vielfältig und situationsangemessen zu
variieren.
Diese allgemeinen Faktoren bezeichnet man üblicherw
eise als
koordinative Fähigkeiten.
Nach vorherrschender Auffassung stellen diese die e
ntscheidende Grundlage für die
„sensomotorische Intelligenz” dar: Wer ein hohes Ko
ordinationsniveau besitzt, dem fällt
bewegungsmäßig
alles
leicht,
wie
im
kognitiven
Bere
ich
Menschen
mit
überdurchschnittlichem IQ generell lern- und leistu
ngsfähiger sein sollen. Wesentlich ist in
diesem Zusammenhang, dass koordinative Fähigkeiten
zwar vermutlich nicht unabhängig
von Talent und Erbanlagen sind, aber dennoch in bet
rächtlichem Maße trainiert werden
können. Auch die außergewöhnliche Präzision eines M
ichael Jordan, das goldene Händchen
von Jan-Ove Waldner, die Blitzreaktionen des Wayne
Gretzky, das Ballgefühl eines Ronaldo
4
und die enorme Geschicklichkeit, die Artisten beim
Jonglieren mit drei, vier und mehr Bällen
zeigen, sind über viele Jahre hinweg konsequent era
rbeitet worden. Die Ballschule setzt das
erste Fundament. Verbessert werden sollen die für d
ie Sportspiele relevanten koordinativen
Leistungsvoraussetzungen, kurz: die
Ballkoordination,
die Ballgeschicklichkeit, das
Ballgefühl oder die Ballgewandtheit.
Mit der alleinigen Zielvorgabe der „Verbesserung de
r Ballkoordination” ist allerdings noch
nicht sehr viel gewonnen. Bei der konkreten Bestimm
ung der
Unterrichts-
und
Trainingsinhalte
stößt man auf ein ähnliches Problem wie bei der Fe
stlegung der
Taktikbausteine. Es ist ja die nicht ganz einfache
Frage zu beantworten, welche allgemeinen
Fähigkeiten zur Ballkoordination gehören und wie si
e zu definieren sind. Der Blick in die
Fachliteratur ist auch an dieser Stelle nur begrenz
t hilfreich. Die Zahl der unterschiedlichen
Systematiken ist kaum geringer als die Zahl der the
menrelevanten Fachveröffentlichungen.
Der untere Teil
verdeutlicht die typischen
Druckbedingungen
,
unter denen
Koordinationsleistungen im Sportspiel zu erbringen
sind:
Tab. 2:
Koordinative Druckbedingungen
Zeitdruck
= Koordinative Aufgabenstellun
gen, bei denen es auf
Zeitminimierung/Geschwindigkeitsmaximierung ankommt
Präzisionsdruck
= Koordinative Aufgabenstellungen, bei denen es
auf
höchstmögliche Genauigkeit ankommt
Komplexitätsdruck
= Koordinative Aufgabenstellungen, bei denen es
auf eine
Bewältigung vieler hintereinandergeschalteter (sukz
essiver)
Anforderungen ankommt
Organisationsdruck
= Koordinative Aufgabenstellungen, bei denen es au
f eine
Bewältigung vieler gleichzeitiger (simultaner) Anfo
rderungen
ankommt
Variabilitätsdruck
= Koordinative Aufgabenstellungen, bei denen
es auf die
Bewältigung
von
Anforderungen
unter
wechselnden
Umgebungs-/ Situationsbedingungen ankommt
Belastungsdruck
= Koordinative Aufgabenstellungen, bei den
en es auf die
Bewältigung von Anforderungen unter physisch-kondit
ionellen
Belastungsbedingungen ankommt
Aus den Darstellungen der Aufgaben/Inhalte des Koor
dinationstrainings und den
Ausführungen in Tabelle 2 lässt sich direkt das
methodische Grundrezept
für den Bereich B
der Ballschule ableiten. Es lautet:
Abb. 3: Grundformel für die Ballkoordinationsschulu
ng
5
Die entscheidenden „Zutaten” sind von den Kindern s
tabil beherrschte Ballfertigkeiten, die
informationell variabel mit Druckbedingungen „gewür
zt” werden. Dass die Fertigkeiten
einfach sein müssen, ist logisch; denn: Nicht siche
r verfügbare Bewegungsabläufe würden
bei den einbezogenen Zusatzforderungen häufig missl
ingen.
2.3
Die fertigkeitsorientierte Ballschule
Das dritte Standbein der ballbezogenen sportlichen
Kinderstube folgt als praktische
Konsequenz aus aktuellen bewegungstheoretischen Übe
rlegungen. Sie gründen auf der in
den Kognitionswissenschaften einflussreichen sog. „
Modularitätshypothese“ (Fodor, 1983).
Diese Denkrichtung lässt es angeraten erscheinen, a
uch einen eher fertigkeitsorientierten
Zugang in die Anfängerausbildung aufzunehmen. Einem
möglichen Missverständnis muss
jedoch gleich vorgebeugt werden: es geht keineswegs
primär um das konkrete Erlernen
spezifischer Sportspieltechniken. Der entscheidende
Grundgedanke besteht vielmehr darin,
dass von einem abgrenzbaren und ableitbaren Pool se
nsomotorischer „Puzzleteile”
ausgegangen wird, aus dem sich viele, vielleicht so
gar mehr oder weniger alle
Spielfertigkeiten zusammenfügen lassen. In der fert
igkeitsorientierten Ballschule werden
unspezifische Technikbausteine
vermittelt, die zudem einen sportartübergreifenden
Transfer
ermöglichen sollen. Im
methodischen Vorgehen
vermischen sich zwei Analogien zu den
Bereichen A und B. Statt Spielenlassen heißt es jet
zt vorrangig Übenlassen und die
Bausteine sollten konzeptionell unabhängig von spez
ifischen Technikgebäuden trainiert
werden.
Tab. 3:
Technikbausteine
Winkel steuern
:
Sensomotorische Aufgabenstellungen, bei denen es da
rauf ankommt,
die Richtung eines geworfenen, geschossenen oder ge
schlagenen Balles präzise zu
steuern
Krafteinsatz steuern
:
Sensomotorische Aufgabenstellungen, bei denen es da
rauf
ankommt, den Krafteinsatz eines geworfenen, geschos
senen oder geschlagenen Balles
präzise zu steuern
Spielpunkt des Balles bestimmen
:
Sensomotorische Aufgabenstellungen, bei denen es
darauf ankommt, den räumlichen Abwurfpunkt, Schussp
unkt oder Schlagpunkt eines
Balles präzise anzusteuern
Laufwege und -tempo zum Ball festlegen
:
Sensomotorische Aufgabenstellungen, bei
denen es darauf ankommt, die Richtung und Geschwind
igkeit des Laufens zu einem Ball
präzise zu steuern
Sich verfügbar machen
:
Sensomotorische Aufgabenstellungen, bei denen es da
rauf
ankommt, eine Bewegungsausführung zur richtigen Zei
t vorzubereiten bzw. einzuleiten
Zuspielrichtung und -weite vorwegnehmen
:
Sensomotorische Aufgabenstellungen, bei
denen es darauf ankommt, die tatsächliche Richtung
und Weite eines zugespielten Balles
korrekt zu antizipieren
Abwehrposition vorwegnehmen
:
Sensomotorische Aufgabenstellungen, bei denen es
darauf ankommt, die tatsächliche Abwehrposition ein
es oder mehrerer Gegenspieler
korrekt zu antizipieren
Laufwege beobachten
:
Sensomotorische Aufgabenstellungen, bei denen es da
rauf
ankommt, die Laufbewegungen eines oder mehrerer Mit
-/Gegenspieler(s) korrekt
wahrzunehmen